Ein Märchen aus dem grünen Herzen der Berge
Hoch oben im Morgental, wo der Himmel wie flüssiges Gold über den Hügeln liegt und
die Schmetterlinge im Morgentau tanzen, lebten zwei Wieselkinder. Liora und ihr Bruder Lino.
Sie hatten schneeweißes Fell das im Licht der aufgehenden Sonne wie Edelsteine glänzte.
Liora war neugierig und mutig, Lino klug und ein wenig verträumt.
Jeden Morgen kletterten sie auf die warmen Steine, schauten in die Ferne und
lauschten dem Wind, der Geschichten erzählte. Eines Tages, als der Himmel eine
seltsame Stille trug, flüsterte der Wind ihnen zu:" der Morgenbaum schläft ein.
Wenn er nicht geweckt wird, bleibt der neue Tag verborgen"!
Der Morgenbaum?
Das war eine uralte Linde auf dem höchsten Hügel. Sie öffnete jeden Tag ihre goldenen Blätter,
damit die Sonne leuchten konnte. Ohne sie würde das Morgental im Schatten verharren.
"Wir müssen ihn finden!" rief Liora.
Sie huschten durch Farn und Moos, vorbei an grauen Steinen und funkelnden Tautropfen.
Auf dem Hügel angekommen, sahen sie ihn: der Morgenbaum, ganz grau und eingerollt.
"Er braucht Licht und Klang ," sagte Lino. " Er müsse spüren, daß die Welt ihn braucht."
Liora rief die Vögel. Lino trommelte mit Nüssen auf einen hohlen Baumstamm.
Die Schmetterlinge begannen zu tanzen und die Blätter raschelten.
Und dann....ganz langsam...öffnete der Morgenbaum seine Krone. Ein Sonnenstrahl brach hervor und
breitete sich wie goldener Honig über das Land. Die Tiere jubelten und das Tal atmete auf.
Von diesen Tag an waren Liora und Lino die Hüter des Baumes, jeden Tag weckten sie ihn
mit Liedern, Liebe und Lachen. Und wenn du ganz still bist im Wald,
dann kannst du sie vielleicht sehen am frühen Morgen,
zwei weiße Schatten auf einen Sonnenstein, im Morgental, zwischen Traum und Tag.
geschrieben vom Kuschelfuchs
